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Globale Altersversorgung | 5 Fragen an

Fünf Fragen an ...
Bart Breemans | Globale Altersversorgung in Zeiten der Pandemie


Die Corona Pandemie hat gravierende Auswirkungen auf Unternehmen weltweit. Auch die globalen betrieblichen Altersversorgungssysteme bekommen die Folgen der Pandemie deutlich zu spüren. Für Unternehmen bedeutet die Krise zusätzliche bilanzielle Belastungen verbunden mit einem höheren Liquiditätsbedarf, mitverursacht durch die globale Altersversorgung. Gleichzeitig bedeutet die gestiegene Marktvolatilität eine erhöhte Unsicherheit bei der Planung der Altersvorsorge für Mitarbeiter. Aon-Partner Bart Breemans, Leiter des internationalen Retirement Teams, über die Auswirkungen der Krise auf globale Altersversorgungssysteme und Möglichkeiten für Unternehmen und Mitarbeiter gegenzusteuern.


Welche Auswirkungen hat die aktuelle Corona-Krise auf die weltweiten Altersversorgungspläne?

Breemans: Die Auswirkungen sind vielfältig. Fangen wir bei den leistungsorientierten (defined benefit) Plänen an. In den vergangenen zwei Monaten haben wir eine deutlich höhere Volatilität, sowohl auf der Verpflichtungsseite als auch bei der Höhe des Planvermögens, erlebt. Der Rechnungszins, eine der treibenden Annahmen für die Verpflichtungshöhe, lag Ende März 2020 weltweit um bis zu 100 Basispunkte höher als zum Jahresende 2019. Gleichzeitig ist die zukünftige Inflationserwartung seit Jahresbeginn gesunken. Diese Änderungen führten zu einer deutlichen Verringerung der Verpflichtungshöhe. Inzwischen hat sich der Zinsanstieg allerdings wieder verflüchtigt, was die Verpflichtungshöhe wieder ansteigen lässt. Gleichzeitig erleben Unternehmen aber wegen des Rückgangs der Kapitalmärkte eine spürbare Verringerung ihres Planvermögens. Zusammengenommen bedeuten die aktuellen Bewegungen für die Pensionseinrichtungen eine Verschlechterung des Ausfinanzierungsgrads, was in vielen Ländern wiederum zu Nachschussforderungen führen kann.

Bei den beitragsorientierten (defined contribution) Plänen wirkt sich die Krise in erster Linie auf das Altersvorsorgekapital der Mitarbeiter aus. Die oft jahrzehntelang angesammelten Ersparnisse können plötzlich merklich an Wert verloren haben. Dies führt im Extremfall dazu, dass sich kurz vor der Rente stehende Mitarbeiter ihren geplanten Ruhestand nicht mehr leisten können und stattdessen weiterarbeiten. Der Verbleib älterer und meist besser bezahlter Mitarbeiter bedeutet für Arbeitgeber einen geringeren Spielraum für Gehaltserhöhungen und Neueinstellungen. Unternehmen verlieren so an Attraktivität und es fehlen frische Kräfte mit neuen Ideen für die Zukunft.

Angesichts dieser großen Herausforderungen, welche Unterstützung seitens der Politik und der Aufsichtsbehörden gibt es für die betriebliche Altersvorsorge?

Breemans: Um die krisenbedingten Auswirkungen auf die Altersversorgungssysteme der Unternehmen abzumildern, haben Politik und Aufsichtsbehörden vieler Länder schnell reagiert. Hauptaugenmerk dabei war, den aktuellen Liquiditätsbedarf der Unternehmen zu schonen und gleichzeitig die Sicherheit der Altersversorgungssysteme nicht zu gefährden. Insofern sind viele der getroffenen Maßnahmen vorübergehender Natur, um die Unternehmen so gut wie möglich durch die kommende schwierige Zeit zu bringen.

Für Mitarbeiter wurden diverse Möglichkeiten geschaffen, kurzfristig einem aktuell erhöhten Bedarf an finanziellen Mitteln nachzukommen, zum Beispiel durch eine vorübergehende Entnahme von angespartem Alterskapital. Langfristig steht jedoch weiterhin der Sparanreiz im Vordergrund, um Mitarbeitern, ein ausreichendes Einkommen im Alter zu ermöglichen.

Wegen der Krise ergreifen viele Unternehmen Maßnahmen. Welche Auswirkungen ergeben sich daraus für die betriebliche Altersvorsorge?

Breemans: Viele der aktuell von Unternehmen ergriffenen Maßnahmen haben auch Auswirkungen auf die Altersversorgungssysteme. Bei gehaltsabhängigen Plänen, wie zum Beispiel entgeltabhängigen oder Matching Zusagen, wirkt sich bereits eine vorübergehende Kürzung des Gehalts (z.B. durch Kurzarbeit) auf die Leistungshöhe aus. Unternehmen sollten deshalb prüfen, ob für leistungsbezogene Zusagen derartige Kürzungen als Sonderereignis (curtailment) zu erfassen sind. Krisenbedingte Entlassungen können Abfindungszahlungen nach sich ziehen, die unter Umständen als termination benefits bilanziert werden müssen. Mitarbeiter sollten darüber informiert werden, inwiefern sich die krisenbedingten Maßnahmen auf ihre Altersvorsorge auswirken.

Kommen wir zu den Altersversorgungssystemen selbst. Welche Steuerungsmechanismen stehen Unternehmen für ihre leistungsorientierten Pläne zur Verfügung?

Breemans: Unternehmen sollten regelmäßig, am besten täglich, den Ausfinanzierungsgrad ihrer weltweiten Pensionspläne prüfen. So können sie umgehend auf Veränderungen der Marktlage reagieren. Unterstützen kann dabei unser Tool „Risk Analyzer“, das diese Informationen – aktuell und in die Zukunft projiziert – für Unternehmen ermittelt.

So könnten Unternehmen die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Anlass nehmen, geplante oder bestehende risikominimierende Maßnahmen neu zu untersuchen, beispielsweise die regelmäßige Überführung von Verpflichtungen bei Renteneintritt auf eine Versicherung, Abfindungsangebote für unverfallbare Anwartschaften oder die Umstellung einer leistungsorientierten Zusage auf einen beitragsorientierten Plan.

Auf jeden Fall sollten Unternehmen stets die gesetzlichen und regulatorischen Möglichkeiten im Blick haben und entscheiden, welche der sich bietenden Maßnahmen sie am besten umsetzen. Einige Möglichkeiten wurden erst als Reaktion auf die Krise eingeführt, andere existieren bereits seit vielen Jahren und werden durch die aktuelle Krisensituation wieder interessant.

Dies gilt natürlich auch für die beitragsorientierten Pläne.

Ein gutes Stichwort – gibt es bei beitragsorientierten Plänen spezifische Möglichkeiten, die Unternehmen in Betracht ziehen sollen?

Breemans: Zur Liquiditätsschonung können Unternehmen, im Rahmen der vertraglichen und gesetzlichen Möglichkeiten, Beiträge zu den Altersversorgungsplänen zeitlich verschieben, reduzieren oder vorübergehend sogar ganz aussetzen. Dies gilt sowohl für Arbeitgeberbeiträge als auch für Arbeitnehmerbeiträge, die der Arbeitgeber im Namen der Arbeitnehmer einzahlt.

Wichtig ist dabei, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter bei allen Maßnahmen mit Hilfe einer dezidierten Kommunikationsstrategie mit ins Boot holen. Unternehmen können durch entsprechende Angebote ihren Mitarbeitern zeigen, dass ihnen deren finanzielles Wohlbefinden auch in Krisensituationen ein wichtiges Anliegen ist. Dies kann neben der bereits erwähnten vorübergehenden Entnahme von angespartem Kapital beispielsweise auch eine Beleihung des Alterskapitalkontos bedeuten. Auch Schulungen, z.B. bei der Finanzplanung für die Alterssicherung und zur Vermeidung von Panikreaktionen können ein sinnvolles Angebot für die Mitarbeiter sein.

Als Fazit: Die Corona Pandemie stellt Unternehmen und ihre Mitarbeiter vor schwerwiegende gesundheitliche, wirtschaftliche und finanzielle Herausforderungen. Den Unternehmen stehen für ihre Altersversorgungssysteme, egal ob leistungs- oder beitragsorientiert, verschiedenste Möglichkeiten zur Verfügung, diese so gut wie möglich durch die Krise zu führen und gleichzeitig die Mitarbeiter nicht aus den Augen zu verlieren.

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