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Liquidation geplant?  | 5 Fragen an

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Fünf Fragen an ...
Jan Andersen und Stefan Hillen | Liquidation geplant? Dann empfiehlt sich schnelles Handeln!


Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hat empfohlen, den Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung zum 01. Januar 2022 von 0,9 % auf 0,25 % zu senken. Für Unternehmen, die in Liquidation gehen wollen, kann das gravierende finanzielle Folgen haben, wenn ein entsprechendes Vorhaben nicht rechtzeitig auf den Weg gebracht wird. Doch nicht nur Versicherungslösungen, sondern auch andere Wege zur Befreiung von bestehenden Pensionsverpflichtungen werden durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld in der Zukunft teurer werden.


Bis zum 01. Januar 2022 ist gefühlt noch reichlich Zeit. Warum sollten sich liquidationswillige Unternehmen trotzdem schon jetzt mit der Auslagerung der bestehenden Versorgungsverpflichtungen beschäftigen?

Hillen: Um ein Unternehmen liquidieren zu können, darf es keine Verpflichtungen mehr aus betrieblichen Versorgungszusagen gegenüber ehemaligen Mitarbeitern und Rentenempfängern haben. Das Betriebsrentengesetz hat hierfür in § 4 Abs. 4 den Weg der schuldbefreienden Übertragung der Versorgungszusagen auf eine Pensionskasse oder einen Lebensversicherer vorgesehen.

Für die Abbildung der zugesagten Versorgungsleistungen kommen klassische Kapital- oder Rentenversicherungstarife zum Einsatz. Da die garantierten Leistungen der Versicherung so angesetzt werden, dass sie die Versorgungsanwartschaften oder laufenden Rentenzahlungen vollumfänglich abdecken, nimmt der in der Kalkulation berücksichtigte Rechnungszins großen Einfluss auf die Höhe des Dotierungsaufwands. Eine Absenkung des Höchstrechnungszinses von derzeit 0,9 % auf 0,25 %, die sich sowohl auf die Anwartschafts- als auch die Rentenphase auswirkt, wird einen deutlichen Anstieg des zu zahlenden Einmalbeitrags nach sich ziehen. Um dem zu entgehen, muss der Abschluss der Liquidationsversicherung noch in diesem Jahr erfolgen.

Wie lange dauert denn der Prozess von der Angebotseinholung bis zum Abschluss der Liquidationsversicherung?

Hillen: Das lässt sich nicht allgemein beantworten, da dies von vielen Faktoren abhängt. Hierzu gehören beispielsweise die Größe des Kollektivs, die Anzahl an unterschiedlichen Versorgungszusagen oder die Qualität des Datenbestands. Allein das Schaffen einer ordentlichen Ausgangsbasis, mit der sich eine verlässliche Erstberechnung zur Bestimmung des ungefähren Dotierungsaufwands erstellen lässt, kann schon mehrere Wochen dauern. Je komplexer die Versorgungszusagen sind, umso mehr Zeit benötigt auch der Versicherer (oder die Pensionskasse), um hierzu passende Versicherungslösungen zu finden. Dass sich Versorgungsregelungen nicht eins zu eins durch Versicherungstarife abbilden lassen, ist dabei eigentlich der Normalfall. Für den Versicherer bedeutet das in vielen Fällen, kein fertiges Konzept aus der Tasche ziehen zu können, sondern eine individuelle Lösung entwickeln zu müssen.

Auch auf Seiten des Unternehmens können interne Entscheidungswege, das Abwägen verschiedener Handlungsoptionen oder die Schaffung der gesellschaftsseitigen Voraussetzungen für die Liquidation Faktoren sein, die den Prozess in die Länge ziehen.

Unter dem Strich vergeht so oftmals schnell ein halbes Jahr oder mehr, bis die Übertragung der Versorgungsverpflichtungen abgeschlossen und damit der Weg für die Liquidation frei ist. 

Wenn der Auflösungstermin eines Unternehmens schon kurz bevorsteht, ist dann besondere Eile geboten?

Hillen: Manchmal sind Unternehmen in dem Glauben, dass der Abschluss der Liquidationsversicherung bereits zum Auflösungstermin der Gesellschaft erfolgen muss. In dem Punkt besteht jedoch keine zeitliche Not. Da mit der öffentlichen Bekanntgabe der Liquidation das gesetzlich vorgeschriebene Sperrjahr beginnt, vor dessen Ende in der Regel keine Löschung des Unternehmens möglich ist, bleibt auch bei einem nahen Auflösungstermin noch genügend Zeit, um den Abschluss der Liquidationsversicherung sorgfältig vorzubereiten und sauber umzusetzen.

Schnellschüsse funktionieren ohnehin nur in sehr seltenen Fällen. Denn selbst, wenn die Entscheidung für einen Versicherer oder eine Pensionskasse bereits gefallen ist, sind noch eine Reihe von Vorarbeiten zu leisten, bis dann tatsächlich auch die Versorgungszusagen transferiert sind und Rentenzahlungen durch den neuen Versorgungsträger erfolgen können. Die Prozessschritte und Termine müssen gut aufeinander abgestimmt werden, damit es zu einem nahtlosen Übergang kommt und insbesondere die Zahlung der laufenden Renten ohne Unterbrechung fortgeführt werden kann.

Grundsätzlich empfiehlt es sich, eine Übertragung anzustreben, die keine Zustimmung der Versorgungsberechtigten erfordert und keine Prüfung der Gesundheitsverhältnisse bei den Versorgungsanwärtern durch den Versicherer vorsieht. Allerdings lässt sich dies nicht immer vermeiden oder ist eventuell mit einem unverhältnismäßig hohen finanziellen Mehraufwand verbunden. In diesen Fällen ist im Prozessplan ein zusätzliches Zeitfenster für die Kommunikation mit den Versorgungsberechtigten vorzusehen.

Ist eine Versicherungslösung der einzige Weg, um ein Unternehmen frei von Versorgungsverpflichtungen liquidieren zu können?  

Andersen: Nein, neben den betriebsrentenrechtlichen Möglichkeiten, Versorgungsrechte abzufinden oder sie zu übertragen, besteht insbesondere die umwandlungsrechtliche Option in Form der Abspaltung bzw. Gründung einer sogenannten Rentnergesellschaft. Also eine Gesellschaft, deren einziger Zweck in der Erfüllung der Versorgungsverpflichtungen besteht. Nicht geeignet sind dagegen ein bloßer Wechsel des Durchführungsweges (z. B. von einer Direktzusage auf einen Pensionsfonds), eine Erfüllungsübernahme oder ein Schuldbeitritt, da hier keine vollständige Befreiung von bestehenden Verpflichtungen stattfindet.

Die Abfindung und die Übertragung von Versorgungsverpflichtungen auf einen neuen Arbeitgeber haben gemeinsam, dass man sich in beiden Fällen wohl nicht einheitlich von allen Verpflichtungen lösen kann, da entweder die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind oder bei einvernehmlichen Gestaltungen einer der Beteiligten nicht „mitspielt“. Jedoch sollten diese Lösungsansätze nicht völlig außer Betracht bleiben. Aus ökonomischen Gesichtspunkten kann es durchaus zweckmäßig sein, sich vorab von einem Teil der Verpflichtungen endgültig zu befreien, um so nur noch eine verminderte Anzahl von Personen auf eine Liquidationsversicherung zu übertragen bzw. über eine Rentnergesellschaft „betreuen“ zu müssen.  

Was ist bei der Gründung einer solchen Rentnergesellschaft zu beachten? 

Andersen: Sofern der Arbeitgeber gegenüber bereits ausgeschiedenen ehemaligen Arbeitnehmern bestehende Versorgungsverpflichtungen auf eine reine Rentnergesellschaft ausgliedert, ist zu beachten, dass der Arbeitgeber nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) verpflichtet ist, die Rentnergesellschaft so auszustatten, dass sie nicht nur die Betriebsrenten zahlen kann, sondern auch zu den gesetzlich vorgesehenen Rentenanpassungen in der Lage ist. Eine unzureichende Ausstattung der Rentnergesellschaft kann Schadenersatzansprüche der Versorgungsberechtigten gegen den übertragenden Rechtsträger nach sich ziehen.

Die Bewertung des Dotierungsvolumens für die Ausstattung erfolgt bei Direktzusagen unter Berücksichtigung von demografischen und finanziellen Bewertungsannahmen. Insbesondere von Interesse ist der anzuwendende Rechnungszinsfuß, der entscheidenden Einfluss auf den Dotierungsbetrag hat. Bezüglich der Abzinsung der künftigen Rentenzahlungen muss nicht auf den jeweils maßgeblichen Rechnungszins der Versicherungswirtschaft (derzeit 0,9 %) zurückgegriffen werden. Nach Ansicht des BAG ist von einer „auf einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung beruhenden Bandbreite der Zinssätze auszugehen“. Die so anzulegende Zinsspanne hat das BAG in 2008 bei einer Bandbreite zwischen 3 % und 6 % gesehen. Diese Zinsspanne ist allerdings keine feststehende Größe für zukünftige Ausgliederungen. Maßgeblich ist die jeweils stichtagsbezogene Zinsspanne, die aktuell deutlich niedriger anzusetzen wäre und zukünftig – da ein Ende der Zinstalfahrt noch nicht in Sicht ist – noch weiter absinken wird. Das führt wiederum zu höheren „Kosten“ für die Ausstattung der Rentnergesellschaft. Daher sollten Unternehmen auch bei diesem Lösungsansatz rechtzeitig die entsprechenden Schritte einleiten, um eine weitere Verteuerung des Vorhabens zu vermeiden.

Eine Zustimmung der Versorgungsberechtigten oder des PSVaG zu einer solchen Abspaltung auf eine andere Gesellschaft ist nicht erforderlich. Das Umwandlungsgesetz sieht allerdings eine zeitlich begrenzte Nachhaftung für Versorgungsrechte vor. Diese könnte ggf. einer Liquidation entgegenstehen. Insgesamt ist daher eine umfassende rechtliche Prüfung zu empfehlen.

Für die Gründung einer Rentnergesellschaft spricht die Flexibilität hinsichtlich der Ausstattung. Sogar bei strenger Orientierung an den Vorgaben des BAG sind die Gesamtkosten immer noch geringer als bei einer Liquidationsversicherung. Außerdem bestehen mehr Freiheiten in der Kapitalanlage. Für ehemalige Mitarbeiter können die Zusagen unverändert fortgeführt werden und der Versorgungsschuldner bleibt bestehen. Schließlich besteht weiterhin ein Insolvenzschutz durch den PSVaG.

Gegen die Gründung einer Rentnergesellschaft und damit für den Abschluss einer Liquidationsversicherung lässt sich anführen, dass rechtliche Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Mindestausstattung sowie bezüglich der Nachhaftung bestehen. Es gibt zudem aufgrund der schwierigen Marktverhältnisse Kapitalanlagerisiken. Schließlich ist je nach Bestand eine Weiterführung der Rentnergesellschaft über einen sehr langen Zeitraum nötig, sofern sie nicht bei einem am Markt vorhandenen Dienstleister begründet wird.

Als Fazit: Sowohl der Abschluss einer Liquidationsversicherung als auch die Nutzung einer Rentnergesellschaft sind grundsätzlich geeignete Möglichkeiten, um sich im Falle einer anstehenden Liquidation vollständig von bestehenden Versorgungsverpflichtungen zu befreien. Beim Vergleich und der Gegenüberstellung der beiden Optionen ist neben etwaigen Zustimmungserfordernissen und Widerspruchsrechten, der Möglichkeit der kongruenten Übertragung der Versorgung, der Insolvenzsicherungspflicht und der zukünftigen Verwaltung der erforderliche finanzielle Aufwand einer der maßgeblichen Faktoren, welcher die Entscheidung für die eine oder die andere Option beeinflusst. Bei beiden ist damit zu rechnen, dass der finanzielle Aufwand in den nächsten Jahren aufgrund der Zinstalfahrt an den Kapitalmärkten noch weiter ansteigen wird. Daher sollten Unternehmen, die sich mit dieser Thematik befassen (müssen), rechtzeitig die entsprechenden Entscheidungen treffen, um sich derzeit noch bestehende Zinsgarantien der Versicherer bzw. aktuell anzuwendende „Rechnungszinsfüße“ im Rahmen der Bewertungsannahmen zu sichern.

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