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Corona und Pensionsgutachten | 5 Fragen an

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Esther Weiser und Sabine Kühnel | Corona und Pensionsgutachten – Handlungsbedarf schon bei der Datenmeldung


Die durch Covid-19 ausgelöste Wirtschaftskrise hat gewaltige Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen in vielen Unternehmen. Im schlimmsten Fall mussten Sozialpläne aufgestellt werden, um den Mitarbeiterbestand zu reduzieren. Auch durch Kurzarbeit oder freiwillige Verzichte konnte einiges abgefedert werden. In diesen Fällen ist fast immer die Vergütung betroffen und damit auch die Sozialleistungen wie Pensionen. Nicht immer sind die Auswirkungen sofort sichtbar. Die erfahrenen Aktuarinnen Esther Weiser und Sabine Kühnel erläutern, was Sie unbedingt beachten sollten.


Durch die Krise können sich unterschiedliche Auswirkungen ergeben, die einen spürbaren Einfluss auf die Höhe der Rückstellungen und Kosten haben können. Welche Sachverhalte können das beispielsweise sein?
 
Weiser: Das den Vergütungsbereich betreffende herausragende Thema in dieser Krise ist sicherlich die Kurzarbeit. Nebenleistungen wie Pensionen, Jubiläumsgelder usw., die vom Gehalt abhängig sind, können davon betroffen sein. Kurzarbeitergeld ist kein Gehalt in eigentlichen Sinne, sondern eine sogenannte Entgeltersatzleistung, welche von gehaltsabhängigen Zusagen des Arbeitgebers nicht erfasst ist. Dennoch kann man keine pauschale Aussage tätigen, ob Kurzarbeit einen Einfluss auf die Höhe der für bAV-Leistungen anrechnungsfähigen Bezüge und damit auf die Höhe der Anwartschaften und Leistungen hat. Es besteht die Notwendigkeit, jeden einzelnen Versorgungsplan diesbezüglich zu prüfen. Ist beispielsweise das Januargehalt maßgeblich für den Versorgungsbeitrag, wird es in der Regel keine Auswirkungen geben - anders bei einem maßgeblichen Jahresdurchschnittsgehalt. Regelungen in den Versorgungsplänen zu Kurzarbeit werden eher die Ausnahme sein, möglich ist aber auch ein Passus zur Altersversorgung in der Regelung zur Kurzarbeit. Abgesehen von Kurzarbeit müssen wir Maßnahmen wie Arbeitszeitverkürzungen, freiwillige Gehaltsverzichte oder Wegfall von variablen Vergütungsbestandteilen sorgfältig betrachten.
 
Im schlimmsten Fall stehen Entlassungen an, die bereits in Vereinbarungen oder Sozialplänen manifestiert sind. Regelungen, die bereits individuell fixiert sind, sind direkt in den Daten der betroffenen Personen zu berücksichtigen. In den Handelsbilanzen könnte bei Sozialplänen zumindest eine näherungsweise Berücksichtigung erfolgen. Für die Steuerbilanz sind allerdings die strengeren Grundsätze der körperlichen Bestandsaufnahme zu beachten.
 
Wie und wann wirken sich diese Änderungen auf die Höhe der Pensionsrückstellungen oder des Aufwandes aus?
 
Kühnel: Auch das hängt im Einzelnen von der Gestaltung der Zusage ab und ist zudem nach den Bewertungsstandards für verschiedene Zwecke ggf. unterschiedlich. Grundsätzlich führen alle Sachverhalte, die die Höhe der Leistungen beeinflussen, zu Veränderungen des Verpflichtungsumfanges zum Ende der Periode und/oder den Kosten des Folgejahres. Wenn sich die erwartete Leistung einer reinen Leistungszusage in der abgelaufenen Periode verringert hat oder der Beitrag in ein System im Jahre 2020 niedriger als erwartet ausgefallen ist, wird sich der Verpflichtungsumfang verringern und es entstehen versicherungsmathematische Gewinne. Diese sind entweder gewinnwirksam (HGB) oder verändern das Eigenkapital (OCI nach IFRS bzw. US-GAAP). Dieser Vorgang erfolgt sozusagen automatisch, wenn wir Aktuare die entsprechende Meldung bekommen.
 
Effekte, die nur das Folgejahr betreffen, z.B. wenn ein ruhegeldfähiger Bonus im Jahre 2021 wegfällt oder Entgeltumwandlungen entfallen, senken die Kosten für das Folgejahr. Auch darüber sollten Sie uns daher informieren.
 
Ändert Corona grundsätzlich die Auswahl der Prämissen für die Bewertungen in den Handelsbilanzen?
 
Weiser: Grundsätzlich ist eine Situation, die in ein oder zwei Perioden auftritt, noch keine Indikation für die Anpassung einer langfristigen Erwartung, etwa zum Gehaltstrend. Diese Annahme wirkt i.d.R. über Jahrzehnte und wir hoffen doch, dass die Krise kurzfristiger überwunden sein wird. Gleichwohl ist es sinnvoll, die schon absehbaren Kurzzeiteffekte zu berücksichtigen. Das heißt zum Beispiel, den langfristigen Gehaltstrend zu belassen, aber ggf. für das Jahr 2021 und evtl. für weitere Jahre von Nullrunden oder einer geringeren erwarteten Anpassung auszugehen. Für uns Aktuare ist das problemlos umsetzbar.
 
Leider gibt es auch Situationen, die so ernst sind, dass sich weitreichende Strukturen im Unternehmen ändern. Hier ist es angesagt, auch langfristige Erwartungen bei der Festsetzung der Prämissen zu überprüfen, als da sind Gehaltstrends, Rentenanpassungen, Höhe von Bonuszahlungen, Fluktuation, Arbeitszeiten oder auch Renteneintrittsalter. Versicherungsmathematische Gewinne oder Verluste durch Prämissenänderungen sind nach internationalen Standards übrigens nicht gewinnwirksam zu berücksichtigen. Prämissen wirken selbstverständlich aber auf die Kosten der Folgeperioden und können gewinnwirksame Entlastungen erzeugen.
 
Was ist zu tun, wenn nichts geregelt ist oder die Regelung unklar ist?

Kühnel: Das wird leider häufiger der Fall sein. Wer hat eine solche Situation schon vorausgesehen? Zunächst folgt die Rückstellungsberechnung der Leistungsermittlung in der betrieblichen Umsetzungspraxis. Genaues Lesen der Regelungen ist dazu unumgänglich. Im Zweifelsfall helfen unsere Juristen gern, einen möglichst rechtssicheren Weg zu finden. Dabei ist es auch in Ihrem Unternehmen wichtig, dass sich alle involvierten Bereiche auf eine Handhabung einigen.

Für die Handelsbilanzen ist ein vernünftiger Ansatz nach der besten Schätzung korrekt. In der Steuerbilanz mit Schriftformerfordernis kann das schwieriger sein. Hier helfen wir Aktuare gern und bringen unsere Praxiserfahrungen ein. Es kann durchaus sinnvoll sein, nachträglich noch eine schriftliche Regelung zu erstellen. Mindestens ist hierdurch die Vorgehensweise nachvollziehbar zu dokumentieren.
 
Muss jetzt jede Kleinigkeit berücksichtigt werden, wie beurteilen Sie die Wesentlichkeit?
 
Weiser: Was in der Steuerbilanz berücksichtigt werden muss, das regelt der § 6a EStG umfassend. Für die deutsche Handelsbilanz sind jegliche Veränderungen gewinnwirksam, auch hier ergeben sich die Veränderungen automatisch bei Änderung der Datenlage.
 
Für die konsolidierte Bilanz nach IFRS oder US-GAAP gilt es grundsätzlich eine Gesamtschau im Auge zu behalten. Für sog. Curtailments (z.B. Einfrieren des Future Services) oder Settlements (z.B. Entlassungen nach Sozialplan) gibt es detaillierte Regeln und auch Hinweise, wann ein Ereignis so wesentlich ist, dass es zu berücksichtigen ist. Hier sollte auch mit dem globalen Aktuar oder der Muttergesellschaft eine Absprache erfolgen. Wie die Auswirkungen sich darstellen, kann Ihnen Ihr Aktuar im Detail erläutern.
 
Fazit: In diesem Jahr sind einige Sondereffekte zu beachten, die möglicherweise in Ihrer Datenmeldung (noch) nicht reflektiert sind. Nicht immer wird es in der Kürze möglich sein, alle Effekte durch Kurzarbeit oder ähnliche Maßnahmen exakt in den Daten zu erfassen, in vielen Fällen können dann aktuarielle Näherungsverfahren helfen. Suchen Sie das Gespräch mit uns und informieren Sie uns über Maßnahmen im Unternehmen, auch wenn diese auf den ersten Blick nichts mit der bAV zu tun haben. Wir sind beratend für Sie da und können mit Ihnen analysieren, ob es eventuell auch für das nächste Jahr noch kostenentlastende Effekte gibt, denn auch 2021 wird kein einfaches Jahr werden. Kommunikation ist der Schlüssel: Reden Sie mit uns, wir werden Lösungen finden.


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