D&O-Versicherung

Neue Gesetze, Rechtsurteile und die Digitalisierung haben die Risiken für Unternehmensleiter in Deutschland, aufgrund von Fehlverhalten haftbar gemacht zu werden, verschärft. Gestiegene behördliche Anforderungen und Richtlinien zur IT-Compliance und zum Datenschutz erweitern den ohnehin großen Haftungsumfang der Manager. Die neuen Versicherungsthemen beschäftigen Unternehmen und Manager gleichermaßen. Vielfach müssen jetzt verschiedene Financial-Lines-Versicherungsprodukte aufeinander abgestimmt werden, um guten Deckungsschutz zu erhalten. Diese Versicherungslösungen gehen weit über die Managerhaftpflichtversicherung (Director’s & Officer’s Liability Insurance/D&O) hinaus.

Marktsituation

Der deutsche D&O-Markt bietet Managern guten Schutz zu bezahlbaren Preisen. In manchen Fällen lassen sich trotz des bereits geringen Preisniveaus sogar weitere Reduzierungen realisieren – meistens im einstelligen Prozentbereich. Auch die Versicherungsbedingungen haben sich verbessert. So wurden die D&O-Policen um den Schutz vor Insolvenzrisiken erweitert.

Diese Erweiterung folgte nach einem für die Manager nachteiligen Gerichtsurteil: Versucht ein Geschäftsführer im Insolvenzkrisenfall, sein Unternehmen zu retten, indem er Zahlungen leistet, können in dieser Phase erbrachte Zahlungen im Nachhinein vom Geschäftsführer persönlich zurückgefordert werden (Zahlungsverbotshaftung nach § 64 GmbHG). Nach einer Gerichtsentscheidung sind diese Fälle nicht unter der D&O-Police versichert (Oberlandesgericht Celle, AZ 8 W 20/16). Aufgrund des wettbewerbsintensiven D&O-Marktes entschieden sich die meisten Versicherer nach dem Urteil aber dazu, die Zahlungsverbotshaftung mitzuversichern.

Trotz des starken Wettbewerbs haben einige D&O-Führungsversicherer in diesem Jahr in Einzelfällen die Preise erhöht. Der Grund dafür sind die hohen Schadenkosten der Versicherer. Im vergangenen Jahr wurden dazu vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft erstmals Zahlen über den D&O-Markt veröffentlicht. Demnach lag die Schadenquote für das Jahr 2015 bei 114,9 Prozent und für das Jahr 2016 bei 95 Prozent. Bei Einbezug eines potenziellen Kostensatzes von durchschnittlich 30 Prozent ergeben sich Schadenkostenquoten von 145 Prozent und 125 Prozent. Einige Kunden zeigten daher Verständnis für die Preiserhöhungsforderungen der Versicherer und zahlten die höheren Preise. Andere Kunden lehnten Erhöhungen ab und tauschten den D&O-Versicherer aus.

D&O-Geschäftsstatistik 2016 (Angaben von 33 GDV-Mitgliedern)
2016 2015
Differenz zum Vorjahr Differenz zum Vorjahr
Beitragseinnahmen (brutto) 255 Mio. € +3,3 % 246 Mio. € +5,9 %
Schadenaufwendungen* 275 Mio. € +3,4 % 266 Mio. € +34,0 %
davon: Schadenzahlungen* 13 Mio. € +40,4 % 9 Mio. € +32,5 %
und: Schadenrückstellungen* 262 Mio. € +2,1 % 257 Mio. € +34,0 %
Schadenkostenquote 107,9 % 107,8 %
Reserve/Zahlungsverhältnis
(Schadenrückstellungen / Schadenzahlungen)
2.075 % 2.854 %
Abwicklungsergebnis
(in % der Beitragseinnahmen)
12,9 % - 7,1 %
Schadenquote 95,0 % 114,9 %
Zahl der Verträge (zum Jahresende) 69.600 +11,3 % 62.600 +12,6 %
Zahl der Schäden im Geschäftsjahr 7.200 +38,8 % 5.200 +21,8 %
Schadenhäufigkeit pro Vertrag 104 ‰ +24,8 % 83 ‰ +8,1 %
Schadenaufwand pro Schaden 37.986 € -25,6 % 51.031 € +10,0 %
Schadenaufwand pro Vertrag 3.944 € -7,1 % 4.246 € +18,9 %
Beitragseinnahmen pro Vertrag 3.656 € -7,1 % 3.938 € -6,0 %

* inkl. Schadenregulierungsaufwendungen
Alle Zahlen sind gerundet.

Quelle: GDV

Ausblick

International verschärft sich der D&O-Markt. So gab es in den USA in den vergangenen Jahren rekordverdächtige Vergleichssummen in Sammelklageprozessen (Class Actions). Allein in den vergangenen zwei Jahren schafften es 15 Vergleiche in die Liste der Top 100 der größten jemals verzeichneten Vergleiche.

Dazu gehörten die Unternehmen Petrobras mit einem Vergleich in Höhe von 3,5 Milliarden Dollar, BP Deep Water Horizon mit 175 Millionen Dollar und Salix Pharmaceuticals mit 210 Millionen Dollar. Auch die US-Bank Wells Fargo machte mit einem Vergleichsbetrag von 480 Millionen Dollar im Skandal um vermeintlich fingierte Kundenkonten Schlagzeilen.

In Australien wurden die Preise für D&O-Versicherungen in diesem Jahr massiv erhöht. Grund sind unter anderem gestiegene Anlegerklagen infolge eines Anstiegs professioneller Prozessfinanzierer (derzeit 17 Unternehmen) und spezialisierter Anlegerkanzleien. D&O-Kunden müssen in Australien weiter mit Preiserhöhungen in deutlich zweistelligem Prozentbereich und einem grundsätzlich zurückhaltenden Zeichnungsverhalten der D&O-Versicherer rechnen.1

Internationale Vergleiche und D&O-Szenarien …

… der vergangenen zwei Jahre

* Geschätzte Höhe der Rückstellung in der D&O-Versicherung

Quelle: ISS Securities Class Actions Services 2018

Auch in Deutschland gibt es Hinweise darauf, dass sich die Preise und Versicherungsbedingungen künftig verschlechtern könnten:

  • Die mutmaßlich hohen D&O-Reservebildungen im VW-Dieselskandal dürften zur Belastung des gesamten deutschen Marktes führen.
  • Das im Juni 2018 beschlossene Gesetz zur Musterfeststellungsklage könnte zugleich das von D&O-Versicherern gefürchtete Risiko von Sammelklagen erhöhen.
  • Prozessfinanzierer und Anlegerkanzleien sind schon seit einiger Zeit auch in Deutschland aktiv.
  • Auch internationale Schadenentwicklungen wirken sich auf den deutschen Markt aus. So ist davon auszugehen, dass einige der großen US-Vergleiche im Londoner D&O-Markt reguliert werden und diesen dadurch massiv belasten. In Deutschland tätige Versicherer mit internationalem Hintergrund sind somit teilweise direkt von internationalen Schadenzahlungen betroffen. Dies kann sich auch auf die deutsche Risikowahrnehmung auswirken.

Markttrends

In Deutschland rücken verschärfte Regulierungen und digitale Risiken zusehends in den Fokus der Managerhaftung. So gab es im vergangenen Jahr eine Fülle neuer Gesetze, die für die Manager von Unternehmen beachtlich sind. Dazu gehören die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung und das Bundesdatenschutzgesetz, das Transparenzregistergesetz, Geldwäschegesetz und Verbandssanktionengesetz (derzeit im Entwurf).

Auch das im Jahr 2015 verabschiedete IT-Sicherheitsgesetz entfaltet durch seine Umsetzung in diesem Jahr seine Wirkung. Gemeinsam ist den Gesetzen, dass sie den betroffenen Unternehmen Maßnahmen abverlangen. Oft sind diese mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden. Viele, besonders mittelständische Unternehmen scheinen mit den komplexen Anforderungen überfordert. Und viele Unternehmen haben die bereits heute wirksamen Anforderungen der neuen Gesetze noch nicht erfüllt.

Erfüllen die Unternehmen die neuen Gesetzesvorgaben nicht, drohen hohe Bußgelder und Schadenersatzansprüche Dritter. Neu ist, dass die Unternehmen den Behörden die Einhaltung der Gesetze teilweise nachweisen müssen. Diese Pflicht besteht verdachtsunabhängig und ist vergleichbar mit einer Beweislastumkehr. Somit drohen jetzt generell häufiger Regulierungsverfahren mit Behörden. Anders als früher kommt es nicht erst auf einen Verstoß im Einzelfall an.

Für Manager ist wichtig, ob gegen das Unternehmen verhängte Bußgelder später vom Management zurückgefordert werden können (Regress von Bußgeldern). Diese Frage ist in Deutschland umstritten und wird weltweit unterschiedlich geregelt.2 Ein höchstgerichtliches Urteil hat in diesem Zusammenhang keine Klarheit gebracht (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. Juni 2017 - 8 AZR 189/15 -, PM 30/17). Manager sind daher gut beraten, darauf zu achten, dass ihre D&O-Versicherungsbedingungen in diesem Zusammenhang zu ihren Gunsten formuliert sind.

Cyber- und Social-Media-Schäden nehmen weiterhin Raum in den Financial-Lines-Sparten ein. Fake-President-Fälle, in denen in unterschiedlicher Lesart per Betrug Zahlungen von Unternehmen veranlasst werden, treten nach wie vor verstärkt im Markt auf.

Delikte im IT-Bereich nehmen einen hohen Stellenwert in der deutschen Wirtschaft ein. Unter dem Blickwinkel der IT-Compliance ist dieses Risikofeld auf Managerebene haftungsrelevant. Führen Unternehmen Compliance-Management-Systeme ein, so kann sich dies positiv auf die Haftungssituation auswirken und Bußgelder reduzieren (Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.05.2017, AZ 1 StR 265/16).

e-Crime in der deutschen Wirtschaft

Betroffenheit je Deliktsart

2013 waren insgesamt 27 % der deutschen Wirtschaft von e-Crime betroffen, 2015 waren es 40 % und 2017 38 %.

Quelle: KPMG Deutschland, e-Crime in der deutschen Wirtschaft 2017

Die neuen Versicherungsthemen beschäftigen Unternehmen und Manager gleichermaßen. Vielfach sind verschiedene Financial-Lines-Versicherungsprodukte aufeinander abzustimmen, um den Risiken gerecht zu werden. Hierzu zählen D&O-, Cyber-, Vertrauensschaden- und Rechtsschutzversicherung. Auf Vertragsebene sind Fragen von Gesamtschuld, Anspruchsübergängen, Serienschadenklauseln und Vorrangvereinbarungen zu lösen. Im Schadenfall kommen weitere Aspekte hinzu, zum Beispiel Meldepflichten und konkurrierende Obliegenheiten. Versicherer reagieren auf diese Situation mit einer spartenübergreifenden Betrachtung. In der Folge kann es zu Auswirkungen von einer Sparte auf eine andere Sparte kommen, zum Beispiel der Ausschluss von Fake-President-Fällen in der D&O-Versicherung, wenn entsprechende Schäden in der Vertrauensschadenpolice reguliert werden.

1 Aon Australia, Insurance Market Update 2017

2 Report Aon/DLA Piper, The price of data security, Mai 2018

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