Germany
Viele Lieferketten-Risiken bleiben unbeachtet

„Viele Lieferketten-Risiken bleiben unbeachtet“

Durch ein Business Continuity Management minimieren Unternehmen das Risiko von Betriebsunterbrechungen aufgrund von Brüchen in der Supply Chain. „Es schafft die nötige Transparenz“, sagt Jürgen Nief. Der Experte für strategisches Risikomanagement bei Aon erklärt, warum diese Maßnahmen notwendig sind und wie Unternehmen dabei unterstützt werden.

Brandgefahren, extreme Wetterereignisse und verstärkt Cyber-Attacken können die Industrie existenziell gefährden. Die Unternehmen wissen das und steuern im Rahmen des Risikomanagements dagegen. Reichen diese Aktivitäten aus, um sich gegen globale Lieferketten-Risiken zu schützen?

Jürgen Nief: Nein, diese Maßnahmen sind unerlässlich, sie genügen aber nicht. Das zeigen unsere Erfahrungen aus Unternehmensgesprächen ebenso wie internationale Studien, zum Beispiel des britischen Business Continuity Institutes.

Warum sind zusätzliche Aktivitäten erforderlich?

Der betriebliche Fokus liegt auf dem operativen Geschäft. Gleichzeitig fehlt häufig die spezifische Expertise im Unternehmen. Die Folge ist, dass viele Risiken in den globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten unbeachtet bleiben. Dabei gibt es kritische Stellen, an denen Brüche, zum Beispiel ausgelöst durch einen Brandausbruch, zu schwerwiegenden Ausfällen bei der Liefer- und Produktionsfähigkeit führen können. Ein Business Continuity Management, kurz BCM, schafft hier die nötige Transparenz. Gemeinsam mit dem Kunden identifizieren und bewerten wir die Risiken in der Supply Chain.

Bitte veranschaulichen Sie das anhand eines Beispiels.

Angenommen ein Unternehmen realisiert mit der Herstellung von Leiterplatten einen margenstarken Hauptteil seines Gesamtumsatzes. Für die Produktion wird Quarzsand benötigt, den aber weltweit nur wenige Zulieferer bereitstellen. Deshalb benennen wir einen Zweit- und Drittlieferanten, um einen möglichen Ausfall beim Hauptzulieferer kompensieren zu können. Wurden alle vereinbarten Präventionsmaßnahmen umgesetzt, sollten sie regelmäßig überprüft werden, damit sie im Ernstfall greifen. Die Praxis zeigt: Um Betriebsunterbrechungsrisiken und ihre Folgen zu begrenzen, reicht die finanzielle Absicherung nicht aus.

Gleichwohl sind Unternehmen gefordert, die finanziellen Risiken ebenfalls abzudecken. Ermitteln Sie deren Ausmaß auch im Zuge des BCM?

Richtig. Hierfür berechnen wir die Eintrittswahrscheinlichkeiten von kritischen Szenarien und die damit verbundenen Kostenrisiken für das Unternehmen. Dabei nutzen wir betriebliche Kennziffern, führen aktuarielle Berechnungen durch und greifen auf eigene Schadenerfahrungen zurück. Auf dieser Basis lassen sich Umfang und Höhe der Risikoabsicherung festlegen.

Der bevorzugte Deckungsweg sind Versicherungslösungen, oder?

Nicht unbedingt. Manche finanzstarke Unternehmen tragen einen Großteil der betrieblichen Risiken selbst. Die Ausstattung mit Eigenkapital, die Qualität des Risikomanagements und die Höhe der Kostenrisiken sind wesentliche Parameter bei der Wahl der passenden Risikofinanzierung.

Was sind Alternativen zur umfassenden Versicherungsdeckung?

Unternehmen können hohe Selbstbehalte wählen und nur die Worst-Case-Risiken durch eine Police absichern. Oder sie entscheiden sich für eine Captive-Lösung. Dann werden die Risiken an eine neu zu gründende Gesellschaft oder einen externen Träger übergeben. Ebenso lässt sich der Risikotransfer über Rückversicherungen organisieren. Entscheidend ist, dass die Risikofinanzierung die betrieblichen Wertetreiber fokussiert und sich den künftigen Planungen anpasst.

Sie möchten mehr über das Thema strategisches Risikomanagement erfahren? Dann freuen wir uns über Ihre Nachricht an [email protected] 

Ansprechpartner